„Meteor“
von Friedrich Dürrenmatt
März 1991

Bilder

Stück

Eine Selbstpersiflage Dürrenmatts?

Unversöhnlicher Dichter, unbequemer Querkopf, Humorist auf höchster künstlerischer und intellektueller Ebene – viele Beinamen hat man dem am 14. Dezember, kurz vor seinem 70. Geburtstag verstorbenen, schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt zu Lebzeiten gegeben.
Mit über 50 literarischen Werken avancierte er zu einem der erfolgreichsten Autoren der Welt. „Der Besuch der alten Dame“ (1955) und „Die Physiker“ (1962) aus seinem Dramenwerk und sein Roman „Der Richter und sein Henker“ (1950) machten ihn zu einer literarischen Größe, zu einem Klassiker der Moderne.
Dürrenmatt war ein sehr widersprüchlicher Mensch, jeder Festlegung aus dem Wege gehend. Sein Werk verstand er als provokativ und er wollte auch provozieren, die Welt und die Menschen. Gerade in seinem Weltanschauungstheater hält er seinen Zeitgenossen oft illusionszerstörend den Weltspiegel vor, um ihr Gewissen zu wecken. In einer unüberschaubaren Welt voller Pannen könne man nicht „allzu billig“ Trost geben, sondern müsse mit „Abenteuer die Wahrheit sagen“. Beißender Humor, Witz und Zynismus sind ihm gerade recht, um sein Publikum zu „ärgern“.
Als Metier wählt er die Komödie, die einzige heute mögliche Bühnenform, aus der sich noch das tragische erzielen lasse. Sie geht nicht von Gegebenem aus, sondern lebt vom Einfall, sie verwandelt einen Teil der Gegenwart ins Komische, macht ihn dadurch um so deutlicher sichtbar. In seiner parodistischen Art lässt Dürrenmatt keine Personen auftreten, die aus dem Leben gegriffen scheinen, sondern fiktive Modellfiguren, die exemplarisch für „seine Welt“ stehen und seinen Stücken einen gewissen Fabelcharakter verleihen.
Als Stoff für diese Stücke greift er immer wieder Erscheinungen unserer Zivilisationsgesellschaft auf, aber nur um in ihrem Kostüm Ursituationen zu schildern, unter heutigen Bedingungen Urkonflikte auszutragen. Es geht ihm dabei nicht um irgendwelche Gesellschaftsformen, Machtsysteme oder den Atomkrieg, sondern um ethische Begriffe, wie Schuld, Treue, Freiheit, Gerechtigkeit.
Auch der Tod spielt in seinen Werken eine wesentliche Rolle; der Tod aber als ein Werkzeug der Evolution, als Wurzel unserer Kultur, nicht als ein schreckliches Ereignis, das notwendig Verfremdung hervorruft. Der selbst zuckerkranke und von Infarkten geschwächte Dürrenmatt fordert die Welt auf, Ihren Tod als natürlich und notwendig zu begreifen, die Angst zu überwinden, die uns, seiner Meinung nach, das Jenseits, Götter, Gott erfinden ließ „Das endlose Glück gibt es erst nach dem Tode“.

In seiner Komödie „Der Meteor“ greift Dürrenmatt diese Thematik auf, behandelt Tod und Auferstehung. Seine Hauptfigur ist der Literaturnobelpreisträger Schwitter, der die Welt und die ihm begegnenden Menschen mit dem Wunder der Auferstehung konfrontiert und damit Verwirrung und Chaos auslöst. In der Klinik bereits verstorben, erwacht er wieder von den Toten, begibt sich in sein altes Atelier, um dort in Ruhe auf den Tod zu warten. In einer Reihe von Auftritten begegnet der sich von Leben und Welt distanzierende Literat nun Personen verschiedenster Charaktere. Diese Mitmenschen, die in sein Sterben geraten, werden dadurch schonungslos mit ihrem eigenen Leben konfrontiert, ein Leben voller Illusionen und Lügen, in einer selbstgezimmerten Welt von Logik und Vernunft, und sterben selbst. Sie überleben diese Konfrontation nicht, weil sie die Wirklichkeit nicht auszuhalten vermögen. Der „sterbende“ Schwitter bricht meteorgleich in diese Welt ein, bringt allen, die sich ihm nähern, Tod und Verderben. Er wird dabei, selbst den Tod um sich herum aussähend, immer lebendiger.
Diese Geschichte des Wunders bleibt für den Zuschauer wahrscheinlich unglaubwürdig. Für Dürrenmatt jedoch, ausgehend von einer, durch die Menschen nicht vollkommen einsichtbaren Welt und vom Gesetz des Zufalls, scheint dieses Wunder möglich. Es bricht in die Alltäglichkeit hinein, entlarvt und vernichtet sie, weil die Menschen an Wunder und Zufälligkeiten, die ihr eingewohntes Leben in Frage stellen, nicht mehr glauben und in der totalen Ordnung den Sinn der der Welt und des Lebens sehen.

Ob es hingegen die Absicht Dürrenmatts war, sich selbst in diesem Stück zu persiflieren oder ob er seine Kritiker parodieren wollte, bleibt offen. Marcel Reich-Ranitzky, ein bekannter deutscher Literaturkritiker, meinte in einem Interview anlässlich Dürrenmatts Tod, den schönsten Nachruf habe sich der Schweizer in seinem Stück „Der Meteor“ selbst geschrieben.
„Er blieb unversöhnlich. Ihm fehlte der Glaube und so fehlte ihm auch der Glaube an die Menschheit. Er blieb Rebell im luftleeren Raum. Seine Kunst heilte nicht, sie verletzte“.

Ensemble

Wolfgang Schwitter Markus Steber
Olga Diana Staible
Jochen Andreas Gärtner
Carl Konrad Koppe Martin Schallermeier
Friedrich Georgen Christian Hohn
Hugo Nyffenschwader Volker Dietrich
Auguste Sandra Endraß
Emanuel Lutz Stefan Puchta
der große Muheim Markus Schwab
Prof. Schlatter Werner Habermeier
Frau Nomsen Manuela Cless
Frau Glauser Alexandra Besler
Major Friedli Christian Postenrieder
Frau Schlaftoth Suzanne Kehr
Souffleuse Anja Schulze