
„Die Unvernünftigen sterben aus“
von Peter Handke
Oktober 199
Bilder
Stück
Die Annäherung an die Tradition, zurück zum traditionellen Theater-Illusionismus, kennzeichnet dieses bisher letzte Theaterstück Handkes. Der formale Aufbau, die Sprache, vor allem aber die Charakterisierung der Personen und der Handlungsablauf weisen einerseits Züge einer klassischen Tragödie auf, stehen aber andererseits im Schatten einer Parodie.
Der „Held“ des Stücks, Hermann Quitt, ein großer Unternehmer, trifft sich mit vier anderen Unternehmern zur Absprache gemeinsamer Marktstrategien; man einigt sich scheinbar; jedoch Quitt hält sich nicht an die Abmachungen, ruiniert seine letzten Mitkonkurrenten. Er erreicht damit den Höhepunkt seiner Macht, ist aber dennoch zum Scheitern verurteilt und begeht Selbstmord.
Diese klare Handlungszeichnung verleitet dazu, die Geschichte Quitts als ein Lehrstück über den Kapitalismus, damit über das Großunternehmertum und den Klassenkampf zu sehen. Ein solcher Deutungsansatz aber führt in die Irre. Der Text enthält keine politische Aussage, versucht nicht eine politische Theorie widerzuspiegeln. Das Hauptthema des Stücks ist in einer „inneren“ Handlung, in einem zweiten Handlungsstrang zu finden: der Konflikt der Selbstverwirklichung, dem individuellen Ich und den Zwängen der Wirtschaftswelt, dem Rollendenken, ausgetragen in der Figur des höchst erfolgreichen Unternehmers Quitt. Er kämpft mit sich selbst, möchte seine eigene Rolle sprengen, aus der Rolle fallen, „unvernünftig“ sein. Er leistet sich Gefühle, neben wirtschaftlichen auch emotionalen Luxus. Der Versuch des Ausbruchs aus der Ordnungswelt spiegelt sich in Quitts Bruch der heimlichen Abmachung, seinem Verrat, womit er sich aus den Zwängen des Kartells löst. Doch damit vernichtet er seine Konkurrenten. Er streift moralische Kriterien ab, die konsequentes Profitstreben behindern, handelt also rollengerecht, wirtschaftlich vernünftig. In der Rolle des Unternehmers hat er das Höchstmaß an subjektiver Autonomie erreicht. Sie ermöglicht ihm, sich so zu verhalten, wie ihm zumute ist, treibt ihn aber auch dazu, seine Empfindungen genau zu registrieren, sich selbst zu beobachten. Er versucht der Vernunft des Regelsystems die Unvernunft seines Bewusstseins entgegenzustellen, er will an die Grenzen seiner Möglichkeiten vordringen. Doch Rationalität und Irrationalität sind für ihn unvereinbar, ihm bleibt kein Handlungsspielraum. Er erkennt, dass seine Zeit vorbei ist. Seine Selbstentfaltung mündet in die Selbstaufgabe.
Ensemble
Hermann Quitt | Andreas Gärtner |
Hans, sein Vertrauter | Werner Habermeier |
Franz Kilb, Kleinaktionär | Markus Steber |
Harald von Wullnow, Unternehmer | Markus Schwab |
Berthold Körber-Kent, Unternehmer | Günther Becherer |
Karla Lutz, Unternehmerin | Alexandra Besler |
Paula Tax, Unternehmerin | Diana Staible |
Quitts Frau | Tilla Hennig |
Regie | Robert Seidl |
Maske | Monika Jungnickl |
Souffleuse | Kathrin Weinkamm |
Bühnenbild | Sabine Müller Thomas von Streit Florian Einfalt |
Beleuchtung | Gerhard Ramert |
Plakatentwurf | Roland Stöger |
Fotograf | Klaus Honzik |